Verkehrter Verkehr: Albtraum Geisterfahrer – und wie man ihn verhindern kann
Shownotes
Phänomen Geisterfahrer – die Begegnung der frontalen und im Fall des Falles meist fatalen Art. Wie kommt es zu Falschfahrten gegen die Fahrtrichtung? Wann und wo häufen sich Geisterfahrten auf Österreichs Straßen? Wie handelt man richtig, wenn eine Geisterfahrer-Warnmeldung on air geht – oder man gar selbst zum Geisterfahrer wurde? Sabine Kaulich beleuchtet mit den drei Verkehrssicherheitsexperten Bernhard Lautner (ASFINAG), Thomas Ruthner (Ö3) und Klaus Robatsch (KFV) in einem spannenden Podcast-Gespräch Daten, Fakten und Gegenmaßnahmen. Hören Sie rein!
Mehr Info unter kfv.at
Transkript anzeigen
00:00:02: Geisterfahrerunfall, 19-Jähriger getötet. Ein 47-jähriger Geisterfahrer hat in der Nacht auf Samstag auf der Westautobahn A1 kurz vor der Ausfahrt Vorchdorf einen schweren Unfall verursacht. Er prallte mit voller Wucht gegen das entgegenkommende Auto eines 19-Jährigen. Der junge Mann verstarb im Krankenhaus. Wie die Ermittlungen ergaben, dürfte der 47-jährige Falschfahrer im Alkoholrausch die falsche Auffahrt erwischt und die folgenschwere Kollision verursacht haben. orf.at, 7.09.2024.
00:00:39: Ein Geisterfahreralarm genau auf meinem Streckenabschnitt. Also das ist mit Sicherheit der Albtraum jedes Menschen hinterm Steuer. Wie kommt es zu diesen verhängnisvollen Falschfahrten? Wie kann man sie verhindern? Wie verhalte ich mich bei einer Geisterfahrermeldung im Radio richtig? Oder was tue ich, wenn ich selbst zum Geisterfahrer wurde? Meine Gäste im Studio sind heute Thomas Ruthner, Leiter der ORF Verkehrsredaktion, Bernhard Lautner, Verkehrssicherheitsexperte der ASFINAG, und mein Kollege Klaus Robatsch, Leiter des KFV Fachbereichs Verkehrssicherheit. Mein Name ist Sabine Kaulich. Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen bei unserem heutigen Podcast zum Thema Geisterfahrer. Bleiben Sie dran.
00:01:22: Sicher ist sicher. Der Vordenker*innen Podcast des KFV. Episode 26: Verkehrter Verkehr. Albtraum Geisterfahrer und wie man ihn verhindern kann.
00:01:37: Meine Herren, ganz herzlich willkommen heute im Studio. Ich freue mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
00:01:42: Danke für die Einladung.
00:01:43: Danke schön.
00:01:45: Ja, es freut mich auch hier zu sein und vor allem, dass du jetzt auch hier anwesend bist und nicht dich wieder irgendwo versteckst und nicht hier zur Verfügung stehst.
00:01:53: Schön, Klausi, dass es heute geklappt hat ja. Dafür muss heute der Christian Pause machen. Wir sind hier ohnehin eine sehr große Runde. Ja, und heute geht es eben bei uns um ein sehr dramatisches Thema. Für viele auch ist es traumatisch, die bereits die Erfahrung gemacht haben. Es geht um das Thema Geisterfahrer. Also Lenker, die auf der Autobahn, auf der Schnellstraße oder auf anderen Straßen, die mit getrennten Richtungsfahrbahnen eben gegen die Fahrtrichtung unterwegs sind. Ja, also im Klartext um jene Fahrzeuglenkenden, die diese großen leuchtenden gelben Warnschilder Stopp! Falsch! Also diese Hands aus verschiedensten Gründen übersehen oder ignorieren. Ja, und da komme ich schon zu meiner ersten Frage. Herr Ruthner, Sie sind seit vielen Jahren der Leiter der Ö3-Verkehrsredaktion. Wie würden denn Sie jetzt aus Ihrer Erfahrung heraus die Entwicklung des Phänomens Geisterfahrer auf unseren Straßen beurteilen? Hat sich diese Problematik in den letzten Jahren verändert?
00:02:51: Ja, sie verändert sich laufend. Das hat natürlich damit zu tun, dass das Verkehrsaufkommen auch steigt und dadurch auch die Wahrscheinlichkeit einem Geisterfahrer entgegenzukommen, damit auch höher ist. Aber es ist so, dass wir die Geisterfahrerstatistik seit 1994 machen und es hat hier einige Ausreißer gegeben, aber die Zahlen, auf die wir dann sicher noch kommen werden oder die wir dann sicher noch genauer beleuchten werden, sind eigentlich immer gleich geblieben. Warum ist das Phänomen Geisterfahrer so spannend? Weil letztendlich durch das Einführen des Handys, des Mobiltelefons, die Detektion, also die Erfassung, man sieht einen Geisterfahrer, drastisch zugenommen hat. Früher war das eben nicht so. Man hat einen Geisterfahrer gesehen, vielleicht hat es beherzte Autofahrer und Autofahrerinnen gegeben, die dann bei der Notrufsäule stehen geblieben sind und das gemeldet haben. Heute greift man zum Handy, ruft sofort die Polizei an, oder ruft auch uns an, und die Geisterfahrermeldung geht umher.
00:03:54: Ja, das bringt mich eigentlich schon zu meiner nächsten Frage und zwar Sie haben gesagt zu den aktuellen Zahlen. Sie verfügen ja über eine Geisterfahrerstatistik. Wie viele Geisterfahrerwarnmeldungen hat es denn zum Beispiel im letzten Jahr auf Ö3 gegeben?
00:04:09: Wir haben die Zahlen also vom Jahr 2023 haben wir 444 Geisterfahrermeldungen gehabt. Das ist relativ viel. Eins weiß ich schon im Vorfeld, für 2024 werden es weniger sein. Aber die Zahl schwingt eigentlich immer so zwischen, das klingt jetzt sehr brutal, zwischen 400 und 450 Geisterfahrermeldungen im Jahr und das sind Geisterfahrermeldungen. Und wir werden immer wieder gefragt, na ja, ist das auch wahr, was ihr da meldet und so weiter? Und ich sag drauf Ja. Warum ist es so? Weil wir die Erfahrung gehabt oder die Erfahrung haben, dass die Autofahrer und Autofahrerinnen keinen Scherz machen, wenn sie einen Geisterfahrer sehen, das ist Erste. Das heißt, die Meldung existiert. Nur, was passiert? Ich bin als Autofahrer, Autofahrerin unterwegs, sehe da ist ein Geisterfahrer, rufe sofort die Polizei an, rufe uns an, die Alarmkette geht los. Der Geisterfahrer, wenn wir Glück haben, merkt, dass er selber Geisterfahrer ist, stoppt sein Fahrzeug, dreht um oder schiebt zurück und die Geschichte ist erledigt. Nur die Alarmkette ist in Gang gegangen und hat zur Folge, dass also hier laufend gewarnt werden muss bis die Polizei, erstens fährt die Polizei dann aus, bis die Polizei dann beide Fahrtrichtungen hier abgefahren hat und erst wenn die Richtung in beiden Richtungen abgefahren worden ist, gibt es die Geisterfahrerentwarnung. Übrigens eine Frage, die uns auch immer oft gestellt wird, warum warnen wir für beide Richtungen? Die Antwort ist sehr einfach, weil einfach in der Übermittlung der Informationen Fehler passieren können. Also man muss sich vorstellen, ich bin als Geisterfahrer, nein, bin als Richtigfahrender unterwegs und mir kommt ein Geisterfahrer entgegen und dann ist auf einmal die Emotion hoch und dann geht die Fragestellung los, in welche Richtung ist er jetzt unterwegs, wo sind Sie unterwegs? Und da kann hier ein Verdrehen der Richtungen passieren und wir haben uns als Rundfunkanstalt zu entschieden zu sagen, nein, wir warnen für beide Richtungen und entwarnen auch wieder für beide Richtungen.
00:06:05: Eine Frage, die sicher unsere Hörer und Hörerinnen sehr spannend finden, ist, gibt es bestimmte Regionen in Österreich? Besser gesagt, bestimmte Streckenabschnitte mit besonders vielen Geisterfahrermeldungen. Wo sind denn da die Hotspots?
00:06:18: Naja, das österreichische Straßennetz insbesondere also Geisterfahrer finden primär natürlich auf den Autobahnen und Schnellstraßen statt. Und das Netz, das weiß der Kollege von der ASFINAG wesentlich besser, aber es sind ungefähr 2200 Kilometer. Es gibt auch einige Bundesstraßen in Österreich, die baulich so getrennt sind, dass da eine Geisterfahrerfahrt möglich ist. Aber wo sind die Hotspots? Natürlich auf jenen Strecken, die am längsten sind. Also die Südautobahn gehört zur längsten Autobahn in Österreich, verbindet also hier von Niederösterreich, ein Stück Burgenland, Steiermark, Kärnten. Das sind knapp 400 Kilometer. Da einem Geisterfahrer entgegenzukommen ist dementsprechend hoch. Da gibt es einen Hotspot, der immer wieder aufscheint. Das ist in Kärnten der Knoten Villach. Warum ist das dort so? Weil dort drei Autobahnen zusammenkommen. Die Südautobahn, die Karawankenautobahn und die Tauernautobahn und da, vor allem in den Sommermonaten, wenn also hier Urlauber unterwegs sind, man sich hier irren kann, ist dementsprechend die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dort ein Geisterfahrer auftritt.
00:07:27: Die nächste Frage, die uns wahrscheinlich interessieren wird, ist, gibt es eine klassische Geisterstunde? Gibt es eine bestimmte Uhrzeit, ist das untertags oder nachts, wo eben besonders viele dieser Irrfahrten stattfinden?
00:07:41: Also die Ö3-Geisterfahrerstatistik zeigt eigentlich ganz klar, dass es das Wochenende ist. Das Wochenende ist gefährlich, vor allem der Samstag und dann in den Abendstunden. Man muss sich jetzt vorstellen, natürlich ist auch am Samstag dementsprechend, wie soll man sagen, man geht weg, dann spielt auf einmal der Alkohol eine Rolle. Alkohol spielt leider in der Geisterfahrerthematik eine sehr, sehr große Rolle. Über 50 Prozent der Geisterfahrer sind alkoholisiert, leider auch inzwischen unter Drogeneinfluss. Also kann man sich vorstellen, dass da die Wahrscheinlichkeit vor allem am Wochenende, wo man ausgeht, sehr hoch ist, einem Geisterfahrer entgegenzukommen.
00:08:22: Also Wochenende und abends.
00:08:24: Am Wochenende, Samstagabend würde ich sehr aufpassen. Das beginnt ab 18 Uhr und geht bis in die Nacht hinein.
00:08:30: Besonders aufmerksam fahren.
00:08:31: In der Nacht sind Geisterfahrer deshalb so gefährlich, weil der lange Strecken fahren kann, ohne dass ihm ein Fahrzeug entgegenkommt und der merkt es auch nicht, selbst wenn er es merkt, dass er eigentlich Geisterfahrer ist, dass er eigentlich auf der falschen Richtung unterwegs ist und da muss man eben aufpassen.
00:08:47: Herr Ruthner, bei Vorbereitung auf den heutigen Podcast habe ich mir selbst eine Frage gestellt und zwar, wie ist denn das? Die Geisterfahrerwarnmeldung empfängt man übers Radio also, als Erstes ist es mal wichtig, wenn ich ins Auto einsteige, dass ich das Radio einschalte. Nun meine Frage, hört man diese Warnmeldung auf allen Radiosendern?
00:09:05: Also, die Frage ist zu beantworten also, wenn Sie ORF-Radio-Programme hören, dann hören Sie auf allen ORF-Radio-Programmen die Geisterfahrerwarnung. Also, Ö3 ist der einzige Sender des ORFs, Radiosender, der rund um die Uhr Verkehrsinformation auch live abstrahlt. Er ist auch der Verkehrssender des ORF. Und alle anderen Programme übernehmen den Verkehrsservice von Ö3 über die sogenannte EON-Funktion, Enhanced Other Networks, also ein Durchschalten in andere Netzwerke, wenn man das so übersetzt und in dem Fall wären es einfach die anderen Sender. Also wenn ich das Beispiel Ö1 hernehme und ich ein Ö1-Hörer bin, dann bekomme ich, obwohl Ö1 keine eigene Verkehrsinformation bekommt, unsere, also die Ö3-Verkehrsmeldungen in das Programm hineingespiegelt. Das macht diese EON-Funktion automatisiert, das kann ich am Autoradio einstellen, funktioniert aber prinzipiell nur bei Autoradios. Also das heißt, wenn Sie diesen Knopf, es gibt einen Knopf oder eine Funktion, ist in der Bedienungsanleitung nachzulesen, in den meisten Fällen ist es primär eingestellt, aber es gibt Leute, sagen, ich will mein Klassikkonzert nicht unterbrochen haben daher bitte nicht. Der muss aber damit auch rechnen, dass er vor Geisterfahrern nicht gewarnt wird und ja, das ist eine Funktion, die der ORF für alle ORF-Radio-Programme eingeführt hat. Sonst ist es so in der Verkehrsredaktion, wenn der Geisterfahreralarm losgeht bei uns, dann ist es so, dass wir erstens einmal der Kollege, die Kollegin sofort ins Studio geht und es dauert keine 3-4 Sekunden und die Meldung ist on air. Die wissen das aus dem Kopf, die kennen das Straßennetz perfekt. Parallel dazu werden die anderen Programme über ein internes Kommunikations- also Mailsystem, also Redaktionssystem versorgt. Das heißt also, wenn der zum Beispiel in Niederösterreich unterwegs wird, dann geht das überregional auf Niederösterreich, also Ö3, raus, aber auch an die Kollegen oder an die Programme Radio Niederösterreich, Radio Burgenland und Radio Wien. Warum? Weil die Wahrscheinlichkeit, dass da die Hörer hier das Hören sehr hoch ist und wir verteilen es so, dass es hier rechtzeitig die Information in Sekundschnelle bei den Hörern ist, die Information.
00:11:20: Sehr gut. Herr Ruthner, kommen wir noch einmal zurück zu den Ursachen des Geisterfahrens. Was meinen Sie aus Ihrer Erfahrung heraus? Hat das Handy am Steuer als Ablenkungsfaktor oder als Navi im Fahrzeug mit der eventuellen Fehlerinformationsquelle, wir kennen das ja, wenn möglich bitte wenden? In den letzten Jahren die Zahl der Geisterfahrten erhöht?
00:11:42: Jein, ja spielt natürlich eine Rolle und wir kennen das aus den Medien, dass es immer noch Leute gibt, im Tunnel auf einmal die Information bekommen, du bist falsch, bitte umdrehen und er dreht dann im Tunnel um. Das Hauptproblem bei Geisterfahrten ist einfach der Alkohol und das darf man einfach nicht unterschätzen. Wenn einer alkoholisiert fährt, ist die Wahrnehmung eine andere und das ist eigentlich der Hauptgrund für Geisterfahrten. Wenn man das jetzt so in einem 100-Prozent-Bild darstellen darf, so sind 50 Prozent ungefähr alkoholisiert und die restlichen 50 Prozent teilen sich auf in 25 Prozent, das ist ein Viertel, die also hier überfordert sind, die sich nicht auskennen, also Stichwort Knoten Villach, wo hier viele Autobahnknoten zusammenkommen und es gibt auch welche, die absichtlich umdrehen. Also wie drehen sie um? Sie merken, sie haben die Ausfahrt versäumt und dann schiebt er zurück, auch das ist eine Geisterfahrt und wird sofort detektiert, eben durch das Handy eines Autofahrers, der das sofort sieht und die Information an die Polizei oder an uns weitergibt.
00:12:50: Zu den Unfallursachen, da wird uns später noch der Klaus Robatsch Näheres sagen, der da sich ja bestens auskennt. Kommen wir zur Straßeninfrastruktur. Herr Lautner, sind der Verkehrssicherheitsexperte der ASFINAG und seit vielen Jahren mit der Geisterfahrer Problematik befasst und auch mit deren Vermeidung. Welche Maßnahmen zur Verhinderung von Geisterfahrten hat denn die ASFINAG in den letzten Jahren umgesetzt? Welche Warneinrichtungen und Sperrvorrichtungen gibt es denn in Österreich und wie wirken diese?
00:13:20: In Österreich, bei uns gibt es jetzt seit mittlerweile über 20 Jahren eine Richtlinie, sozusagen einen Mindeststandard, den wir natürlich umsetzen. Im Grunde gibt es dort zwei Prinzipien, die enthalten sind. Das eine ist die positive Lenkung, das heißt wir versuchen natürlich mit Schildern oder baulichen Gegebenheiten immer so zu führen, dass eigentlich gar keine Geisterfahrt entstehen kann. Und das andere sind dann die Sperren, die dann sozusagen noch als Add-on dazukommen und aufhalten sollen bzw. darauf hinweisen sollen oder einem die Warnung geben. Wenn wir alles richtig machen, merkt es keiner, weil dann haben wir die Anschlussstelle richtig gebaut, dann haben wir die Auffahrt richtig gebaut. Das heißt, jeder der sagt, wir haben keine Geisterfahrereinrichtungen, bestätigt eigentlich, dass wir es richtig gemacht haben.
00:14:13: Wie ist denn das, also wenn man jetzt die gesetzten Maßnahmen, die Sie jetzt gerade erklärt haben, international vergleicht, gibt es da noch Maßnahmen, wo wir sagen, das könnten wir noch verbessern, das gibt es noch, das könnte man noch, weil wir sehen ja, es gibt ja noch genug Geisterfahrer. Gibt es da noch straßenseitig etwas, was man verbessern könnte?
00:14:33: Wir sind ja im regen Austausch mit unseren Kollegen in Europa und die berichten uns von ziemlich ähnlichen Themen und Maßnahmen, also da sind wir schon eigentlich auch, wenn wir die Unfallstatistik betrachten, an der Spitze und gut. Ein Thema ist, schon angesprochen, ist diese Stopphand, die österreichische Geisterfahrerhand. Die ist eigentlich international ein Vorbild, heißt auch in den Richtlinien oft deswegen Austrians Stop Hand. Das heißt, das ist wirklich ein Exportschlager aus Österreich, der jetzt auch in Deutschland umgesetzt wird, Slowenien, also alle Länder folgen diesem Beispiel und das Zweite, worum uns alle beneiden, ist der flächendeckende Verkehrsfunk. Also danke an Ö3 und die anderen Sender, also das ist etwas, was in Österreich wirklich einen extrem guten und hohen Standard hat.
00:15:32: Gibt es eigentlich auch Ideen, die sich zwar technisch in den technischen Tests bewährt haben, aber dann in der Praxis als problematischer erwiesen haben, also Stichwort Bodenkrallen zum Beispiel?
00:15:42: Ja also alles, was im Labor funktioniert, funktioniert leider nicht immer auf der Autobahn. Man muss sich schon vorstellen, ist Winter, Schnee, Staub. Lkws fahren im Minutentakt mit 40 Tonnen über diese Einrichtungen drüber also da sind schon sehr viele dieser Erfindungen, Entwicklungen einfach an der Praktikabilität gescheitert. Das hat funktioniert, aber eigentlich nicht über die Dauer und, angesprochen, die Krallen haben natürlich auch einen Nachteil für Einsatzfahrten, für den ganzen Betrieb. Das muss man schon dazu sagen, sie funktionieren. Aber sie haben natürlich schon auch einen gravierenden betrieblichen Nachteil und deswegen versuchen wir eigentlich mit den vorher angesprochenen anderen Maßnahmen zurechtzukommen.
00:16:35: Bei der Infrastruktur, da gibt es ja die sogenannten Richtlinien und Vorschriften für den Straßenbau, kurz RVS genannt und da gibt es eine Richtlinie mit Maßnahmen gegen Geisterfahrer. Sagen Sie, wer formuliert denn diese Richtlinien? Wer prüft sie? Wer realisiert sie? Und sind diese Richtlinien verpflichtend? Also sind die gesetzlich oder ist das eine Möglichkeit?
00:16:57: Die Richtlinien werden von einem Expertengremium in Österreich erstellt. Das ist die Forschungsgesellschaft Straße, Schiene und Verkehr und dort setzen sich wirklich die Verkehrsfachleute aus Österreich zusammen und verabschieden eine Richtlinie. Diese Richtlinie, in dem Fall die Geisterfahrerrichtlinie, wird dann von Ministerium für verbindlich erklärt. Das heißt für uns ist es ein Muss, die umzusetzen. Wir überprüfen auch in einem gesetzlichen vorgegebenen Rahmen auch alle zehn Jahre das gesamte Netz und dort ist die Überprüfung, ob eben diese Richtlinie eingehalten wird, Standard. Das ist bei uns sozusagen kein Thema, dass die Richtlinie einzuhalten ist.
00:17:43: Also ich persönlich finde es ja immer, wenn man international auf Autobahnen unterwegs ist, also man sieht dann schon den Qualitätsunterschied. Fühlt man sich ja eigentlich auf Österreichs Straßen sehr sicher.
00:17:56: Danke schön. Hört man gern.
00:17:58: Ja, Herr Lautner, welche Sicherheitspotenziale zur Verbesserung der Verkehrsführung zur Vermeidung der Geisterfahrer könnte es künftig noch geben? Gibt es welche, die in der Pipeline sind?
00:18:08: Ja, grundsätzlich. Die Welt ist in der Digitalisierung angekommen. Es wird natürlich viel mehr Möglichkeitenmittel geben, hier die Digitalisierung auch zu nutzen, wenngleich auch, wie schon angesprochen, auch gewisse Gefahren damit verbunden sind. Es gibt gute und schlechte Systeme und wir müssen uns halt auf die guten Systeme konzentrieren, die fördern und bei den anderen davor warnen.
00:18:33: Ich möchte vielleicht kurz einhaken auf deine Anmerkung. Es stimmt. was Autobahnen betrifft, die österreichischen Autobahnen sind, gehören zu den sichersten Autobahnen von ganz Europa also hier sind wir wirklich Vorreiter, auch natürlich dadurch, dass von der ASFINAG da sehr viel investiert worden ist. Das stimmt aber nicht für das gesamte österreichische Straßennetz. Dort sind wir leider nur geringfügig besser als der europäische Durchschnitt.
00:18:59: Danke Klaus, dann bleiben wir gleich bei dir. Sag Klausi, wie viele tatsächliche Geisterfahrerunfälle haben sich so in den letzten Jahren in Österreich ereignet und wie folgenschwer waren sie? Wie viele Leute sind zu Schaden gekommen, getötet oder verletzt?
00:19:13: Pro Jahr ereigneten sich durchschnittlich sieben Geisterfahrerunfälle mit Personenschaden. Das sind 16 Personen verunglückt, eine Person getötet, sechs Personen schwer verletzt, neun Personen leicht verletzt. Aber man muss sagen, der Geisterfahrerunfall ist ein seltenes Ereignis. 0,02 Prozent aller Unfälle sind Geisterfahrerunfälle und jetzt kommt aber das große Aber. Aber wenn es zu einem Unfall kommt, ist die Verletzungsschwere besonders hoch und das Zweite dazu, es sind sehr viele Verkehrsteilnehmer davon betroffen und immerhin jeder 33. Getötete auf der Autobahn oder Schnellstraße ist aufgrund eines Geisterfahrers getötet worden und was vor allem auffällt, es sind vor allem vollkommen Unschuldige, die dort verunglücken. Und es kommt so auf einen verunglückten Geisterfahrer kommen fast drei unschuldige Opfer und das ist das Dramatische auch an dieser Situation, man gefährdet vor allem andere Verkehrsteilnehmer.
00:20:13: Also ich kann mir vorstellen, wenn zwei Fahrzeuge mit 130 zusammenfahren, da gibt es kaum Chancen, also wenn sie wirklich eine Frontalkollision haben, oder?
00:20:20: Also da gibt es keine Chancen. Drei von vier Unfällen sind wirklich Frontalkollisionen. Das heißt, wenn man es richtig fährt, denkt man doch, es wäre besser Streifkollision daraus zu machen oder einen Leitunfall. Aber man rechnet nicht damit und das geht dann natürlich so schnell, dass man gar nicht die Chance hat dort wirklich auszuweichen und zumindest noch alleine gegen die Leitschiene zu fahren. Das sind Frontalkollisionen und dort natürlich mit dieser hohen Verletzungsschwere und was auch dazu kommt, ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Geisterunfall getötet zu werden, ist um das Achtfache höher wie bei jedem anderen Unfall auf Österreichs Straßen.
00:20:55: Und da verbindet sich wieder, wie wichtig der Verkehrsfunk ist, dass wir alarmiert sind, um einfach sozusagen gewarnt zu sein vor Geisterfahrern. Wenn wir uns jetzt so die Statistik anschauen, kann man eigentlich davon herauslesen, wer der typische Geisterfahrer ist? Was ist denn, gibt es da so einen Prototypen, also wenn man jetzt Alter, Geschlecht sich anschauen würde?
00:21:16: Ja, ist relativ Einzelsache, brauchen wir hier fast nicht gendern. Wir können ruhig Geisterfahrer sagen, wir müssen da nicht die Damen miterwähnen, weil sind drei von vier sind wir Männer. Und das hat sich auch über die Jahrzehnte kaum verändert. Es betrifft vor allem uns Männer und wenn man die Altersgruppen anschaut, so gibt es zwei Gruppen, die auffallen. Das eine sind die Jungen, nämlich die 25- bis 34-Jährigen, die dort einen Anteil von 23 Prozent haben aller Geisterfahrer, und die über 75-Jährigen, die immerhin einen Anteil haben von 20 Prozent.
00:21:49: Und kann man da sagen, was sind denn jetzt die Gründe fürs Geisterfahren? Also wir wissen jetzt, wer es ist, aber was sind die Gründe dafür? Sind das abgelenkt sein?
00:21:59: Thomas Ruthner hat es ja schon vorher auch angesprochen. Wir haben natürlich ein Problem, das dort sehr stark zum Tragen kommt und das ist natürlich das Thema Alkohol und Drogen also hier vor allem die steigenden Zahlen auch bei Drogen. Aber fast jeder zweite Geisterfahrerunfall ist darauf zurückzuführen, dass der Geisterfahrer unter Drogeneinfluss war oder alkoholisiert war. Das betrifft natürlich vor allem eher die jüngeren Personen. Wir haben ein zweites Problem, und das sind immerhin 35 Prozent aller Geisterfahrerunfälle, und das ist die Überforderung und die Orientierungslosigkeit und das betrifft vor allem ältere Lenker, Lenkende. Das heißt, bei schlechten Straßen und Witterungsverhältnissen, bei Nebel, in der Dunkelheit, dass sie sich nicht orientieren und falsch fahren. Dann gibt es einen Punkt, der schon angestiegen ist in den letzten Jahren, das sind die Navigationssysteme natürlich. Man verlässt sich aufs Navi, wo mittlerweile fast 10 Prozent darauf zurückzuführen sind und dann haben wir, wir haben sie immer als diese Kamikaze-Driver bezeichnet, wo das schwer nachvollziehbar ist. Da gibt es das Beispiel, ein Kfz-Lenkender vergisst den Regenschirm auf der Tankstelle oder in einer Raststation, fährt 30 Kilometer mit dem Auto nämlich 30 Kilometer stellt man fest, ich habe meinen wichtigen Regenschirm vergessen, dreht einfach um auf der Einrichtung, fährt gegen in die falsche Richtung und wird Geisterfahrer.
00:23:27: Auch das ist möglich. Aber es ist auch möglich also was mir mal passiert ist, bin, mein Navi hat gedacht, ich bin auf der parallel geführten Landstraße. Dabei war ich auf der Autobahn unterwegs, war aber in Italien dieser Fall, und hatte mich dann zu ganz komischen Fahrmanövern angeleitet.
00:23:46: Ja, aber das kann ja nur Unterstützung sein, das Navi-System. Man kann sich darauf nicht verlassen, so wie man sich auch auf Fahrerassistenzsysteme wie der Name. Das sind unterstützende Informationen, aber es liegt schon in unserer eigene Verantwortung, wenn man Kfz-Lenkender ist, dass man auch noch selbst die richtige Strecke wählt.
00:24:04: Das ist wichtig genau! Klaus, du hast sicher noch für uns die Entwicklung der Geisterfahrerunfallzahlen der letzten Jahrzehnte bei der Hand. Wie beurteilst du denn den Trend der Statistik und die Wirkung verschiedenster Sicherungsmaßnahmen?
00:24:17: Ja, also die Unfälle und die Getöteten-Zahlen sind von Jahrzehnt zu Jahrzehnt stark zurückgegangen. Es wurde natürlich sehr viel unternommen und wir sind ja in Österreich wirklich Vorreiter, was das betrifft. Wir denken nur an die Tafeln und die Geisterfahrerwarntafeln, aber auch auf andere Maßnahmen, die natürlich in der RVS abgebildet sind und das sieht man natürlich ganz deutlich in der Unfallstatistik. Und allein vor 20 Jahren gab es fünf Getötete pro Jahr, jetzt haben wir einen Getöteten. Also es zeigt die Statistik klar nach unten. Was aber leider passiert ist, in den letzten Jahren und in letzten zehn Jahren ist der Erfolg nicht mehr so hoch. Aber es liegt natürlich daran, dass bei diesen Geisterfahrern natürlich weniger leichte Maßnahmen nicht allein an der Autobahn liegen und an der Infrastruktur und da kommen wir noch einmal zurück auf Alkohol und Drogen. Das ist ein grundsätzliches Problem und das wird man nicht wegbekommen auf Autobahnen und auch Geisterfahren verhindern können, wenn man nicht grundsätzlich diese Problematik verstärkt in Österreich angeht und wirklich effiziente Maßnahmen setzt, damit es in Österreich weniger alkoholisierte Lenker und Drohnenlenker gibt. Immerhin 240.000 in Österreich lebende Personen, die unter Drogeneinfluss auf dem Straßenverkehr unterwegs sind und über 600.000, die alkoholisiert unterwegs sind, deutlich alkoholisiert, also hier muss man woanders ansetzen.
00:25:49: Ja, vielen herzlichen Dank. Wir müssen jetzt leider eh schon langsam zum Ende unseres Gesprächs kommen. Viele Themen haben wir heute angesprochen. Jetzt noch das Allerwichtigste zum Schluss, nämlich zu den Sicherheitstipps, zu den konkreten Sicherheitstipps für die Hörer und Hörerinnen. Darf ich Sie jetzt bitten, meine Herren, mir aus Ihrem Fachbereich ganz kurz und prägnant die wichtigsten Tipps zu sagen? Also Herr Ruthner, wenn man eine Geisterfahrermeldung im Radio hört, was ist zu tun?
00:26:16: Erstens einmal immer das Radio eingeschaltet haben. Damit ist die Gewährleistung da, dass man auch vor einem Geisterfahrer gewarnt wird. Wenn man eine Geisterfahrermeldung hört, ernst nehmen. Das sind keine Scherzmeldungen, sondern das nehmen wir auch sehr ernst. Wenn Sie auf der Autobahn unterwegs sind, im Idealfall, wenn Sie die Möglichkeit haben, entweder bei der nächsten Autobahnausfahrt rauszufahren oder beim Parkplatz stehen zu bleiben, oder Raststation stehen zu bleiben, Warmblinkanlage einschalten, Geschwindigkeit reduzieren, nicht überholen und bremsbereit fahren. Das klingt jetzt alles sehr theoretisch, aber in der Praxis kann das Leben reden.
00:26:55: Danke schön. Herr Lautner, wenn man selbst zum Geisterfahrer wurde, was kann man machen, um den Schaden gering zu halten?
00:27:03: Hoffentlich passiert uns das nie, aber im Grunde die Geschwindigkeit reduzieren, sichtbar machen, Warnblinkanlage einschalten und am Rand halten und sich in Sicherheit bringen. Warnweste anziehen, hinter der Leitschiene warten, Polizei rufen, bis man, sozusagen, gerettet wird.
00:27:21: Klaus, gibt es noch Tipps, die wir jetzt hier nicht erwähnt haben, aber die einfach wichtig wären für die Hörer und Hörerinnen?
00:27:29: Ja, man kann es gar nicht oft genug erwähnen natürlich und das ist natürlich nicht, das ist einerseits Alkohol und Drogen, das sind natürlich auch Medikamente, dass man nur die einnimmt, wo man dann wirklich danach auch noch fahrtauglich ist und denken beim Lenken, so soll es sein, volle Konzentration voraus. Und man gefährdet nicht nur sich selbst, sondern man gefährdet vor allem andere Verkehrsteilnehmer und Verkehrsteilnehmerinnen.
00:27:54: Ja, meine Herren, vielen herzlichen Dank für dieses informative und spannende Gespräch! Ich denke, wir alle als Zuhörer haben da sehr viel für uns mitnehmen können. Liebe Hörer und Hörerinnen, vielen Dank fürs Dabeisein. Die gelieferten Informationen und Sicherheitsempfehlungen sollten Ihnen eine Hilfestellung für den Ernstfall bieten, der hoffentlich niemals eintreten wird. Beim nächsten Mal in unserem Mai-Podcast geht es dann um das Thema Reisen mit Kindern. Wir bringen die wichtigsten rechtlichen Informationen zum Thema Urlaubsfahrten ins Ausland. Wir sprechen über Kindesentwicklung aus psychologischer Sicht und wir geben Tipps für sichere und möglichst angenehme Autoreisen mit den lieben Kleinen. Bleiben Sie achtsam und nüchtern am Steuer, bleiben Sie konzentriert und fokussiert und bleiben Sie auf der richtigen Spur. Bis bald im Mai bei Sicher ist sicher.
00:28:48: Sie hörten Diplom-Ingenieurin Sabine Kaulich, Präventionsexpertin des Kuratoriums für Verkehrssicherheit im Gespräch mit Thomas Ruthner, Leiter der Ö3 Verkehrsredaktion, Bernhard Lautner, Verkehrssicherheitsexperte der ASFINAG und Diplom-Ingenieur Klaus Robatsch, Leiter des KFV-Fachbereichs Verkehrssicherheit. Mehr Infos zum Thema dieser KFV-Podcast-Episode und zu vielen weiteren wichtigen Sicherheitsthemen finden Sie auf unserer Website kfv.at. Alle KFV Podcast Folgen sind unter kfv.at/podcast abrufbar. Abonnieren Sie Sicher ist sicher auf Spotify, Apple und YouTube sowie auf allen gängigen Podcatcher Plattformen und empfehlen Sie unseren Podcast weiter. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal bei Sicher ist sicher, dem Vordenker*innen Podcast des KFV.
Neuer Kommentar