Tödliches Tempo: Ist Österreich ein Land der Raser?

Shownotes

Rasen kostet Menschenleben. Dennoch ist Österreichs Verkehrskultur geprägt vom verhängnisvollen Hang zum Schnellfahren. Tragödien wie der schuldlose Unfalltod der jungen Salzburgerin Katrin Koch müssen uns zum Nach- und Umdenken bringen: Ist Österreich ein Land der Raser – und wenn ja, warum? KFV-Experte Klaus Robatsch, Familienvater, Profisportler, Musikfan und Sicherheitsfreak, beleuchtet die heimischen Schnellfahrgewohnheiten im EU-Vergleich, kritisiert hohe Akzeptanzwerte und niedrige Strafsätze, illustriert das Sicherheitspotenzial von Tempo 30 im Ortsgebiet und erklärt, warum das Prinzip „Schneller, höher, stärker“ auf der Straße nichts verloren hat.

Mehr Info unter kfv.at

Instagram

LinkedIn

Transkript anzeigen

00:00:00: Warnung! Dieser Spot enthält die digital rekonstruierte Stimme einer Verstorbenen.

Kathrin Koch (KI): Hallo! Ich bin die Kati, also ich war die Kati, bis zu dem Unfall. Das war im April 2020. Mein Freund und ich waren im Auto, dann hat ein Raser die Kontrolle verloren und ich mein Leben. Künstliche Intelligenz kann meine Stimme wiederbeleben, mich aber nicht. Steig runter vom Gas.

00:00:21: Eine entgeltliche Information des Kuratoriums für Verkehrssicherheit

Christian Kräutler: Katrin Koch viel im April 2020 einem Raser zum Opfer, der bei einem leichtsinnigen Überholmanöver auf einer Salzburger Landstraße einen Frontalcrash verursacht hat. Katis Lebensgefährte hat diesen Unfall schwer verletzt überlebt, sie selbst war auf der Stelle tot. Eine lebensfrohe, junge Frau, die von einer Sekunde auf die andere mitten aus dem Leben gerissen wurde und das völlig unschuldig. Diese Tragödie steht für sehr viele Dramen, die sich Tag für Tag auf Österreichs Straßen abspielen, weil der Schlüsselfaktor Geschwindigkeit über Leben und Tod entscheidet. Besonders schlimm: Viele davon sind völlig schuldlos, so wie die junge Salzburgerin Kathrin Koch, deren Stimme aus dem Jenseits wir gerade gehört haben. Wir haben Katis Stimme mittels künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt und das als Teil einer KFV-Kampagne, die geholfen hat, das gesetzliche Anti-Raser-Paket in Österreich umzusetzen. Katis Appell ist eine Message, die unter die Haut geht und Menschenleben retten soll, auch wenn es für Kati selbst schon zu spät ist. Ihre Familie und ihren Freunden ist diese bewusstseinsbildende Botschaft sehr, sehr wichtig, damit Katis Tod nicht sinnlos war. Heute geht es daher auch in unserem KFV-Podcast um das Thema überhöhte Geschwindigkeit auf der Straße und die möglichen Folgen.

Catharina Ballan: Sicher ist sicher. Der Vordenker*innen-Podcast des KFV. Episode 18: Tödliches Tempo: Ist Österreich ein Land der Raser?

Christian Kräutler: Willkommen beim Podcast zum Thema Geschwindigkeit im Straßenverkehr. Mein Name ist Christian Kräutler. Für all diejenigen, die sich jetzt auf die Sabine Kaulich freuen, muss ich sagen, die Sabine Kaulich ist gerade im Dienste der Sicherheit unterwegs und ist heute nicht dabei beim Podcast. Trotzdem bin ich nicht alleine vor dem Mikro. Ich darf einen sehr erfahrenen Verkehrssicherheitsexperten heute begrüßen bei uns im KFV-Studio. Der hat mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung mit dem Thema Geschwindigkeit im Straßenverkehr, mit dem Thema Sicherheit im Straßenverkehr. Es ist der Herr Diplomingenieur, Klaus Robatsch, er ist Leiter des KFV-Fachbereichs Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit. Er ist auch Vater von zwei Töchtern und er ist glühender Verfechter, angepasster, menschengerechter Geschwindigkeit. Lieber Klaus, herzlich Willkommen!

Klaus Robatsch: Ja, danke sehr für die Einladung. Ich bin natürlich schon sehr enttäuscht, dass die Sabina Kaulich es nicht geschafft hat, hierherzukommen. Wahrscheinlich ist sie nur nicht gekommen, weil ich da bin, aber gut. Das würde ich gern beim nächsten Mal, dann bei der nächsten Sendung, wo ich wieder eingeladen werde, was ich, davon gehe ich aus, dass sie dann auch wirklich auch da ist und wirklich mit mir diskutieren kann.

Christian Kräutler: Klaus, steigen wir gleich ins Thema ein: Ist Schnellfahren so für die österreichische Bevölkerung eine Besonderheit oder kann man vielleicht sogar sagen: Ist Österreich so ein bisschen das Land der Raser?

Klaus Robatsch: Das kann ich ganz einfach und auch schnell beantworten. Ja, wir sind ein Land der Raser, aber ich möchte es auch gerne begründen. Da gibt es mehrere Gründe dafür. Das eine ist einmal, wenn man sich anschaut, das unfallgeschenkte Getötetenzahlen in Europa, so sind wir nur geringfügig besser wie der europäische Durchschnitt, obwohl wir eigentlich in Österreich einen sehr guten Kfz-Fuhrpark haben. Wir haben grundsätzlich die Infrastruktur, die sehr gut ist. Straßeninfrastruktur. Wir haben eine hervorragende Notfallsmedizin und trotzdem sind wir nur europäischer Durchschnitt. Und das liegt hauptsächlich daran, dass in Österreich einfach sehr schnell gefahren wird. 46 Getötete pro 1 Million Einwohner ist der Durchschnitt der EU, in Österreich 44, sogar Deutschland ist deutlich besser mit 33 Getötete pro 1 Million Einwohner. Die Schweiz liegt bei 26, die skandinavischen Länder bei 22, 23. Wenn wir so sicher wären wie die besten europäischen Länder, dann hätten wir um die Hälfte weniger getötet. Das heißt um 200 Tote weniger.

Christian Kräutler: Das wäre natürlich ein großes Plus für die Verkehrssicherheit, ein Plus für uns alle und vor allem diejenigen, die da tatsächlich betroffen sind bei diesen Unfällen. Wir haben ja jetzt auch die Möglichkeit, dass wir denen, die zu schnell unterwegs sind, die Autos abnehmen. Das sieht das Gesetz jetzt vor, dass man eben die Autos beschlagnahmt. Ist das aus deiner Sicht so der richtige Weg erstens einmal und ist es zweitens ein Weg, der das Problem des zu Schnellfahrens generell löst in Österreich?

Klaus Robatsch: Also die zweite Frage, kann ich gleich beantworten: Generell löst es das nicht, aber es ist der Schritt in die richtige Richtung. Und ja, die Beschlagnahmung macht schon Sinn, nämlich auch um so eine Cool-Down-Phase zu haben, damit man dann nicht gleich wieder weiterfahren kann, sondern wirklich einmal warten muss und das auch dann merkt, wie man von dort, das spürt man ja auch, da muss man von dort weg, wo man aufgehalten worden ist, muss wieder nach Hause kommen. Also das ist schon grundsätzlich gut. Was wir hier aber noch unbedingt benötigen: Ein bundesweites Verwaltungsstrafregister, denn derzeit ist es ja so, dass dieses Vergehen im gleichem Bezirk stattfinden muss. Also schon der Nachbarbezirk weiß gar nichts mehr davon. Also hier muss man unbedingt weitere Maßnahmen folgen lassen.

Christian Kräutler: Wir haben ja im Kuratorium jedes Jahr Geschwindigkeitsmessungen. Das sind glaube ich ein paar Millionen, die da durchgeführt werden. Und was wir da immer wieder auch sehen, ist, dass besonders dort, wo nämlich ungeschützte Verkehrsteilnehmer unterwegs sind: die Fußgänger, die Radlfahrer, aber auch dort wo wir Kinder auf der Straße sehen oder ältere Menschen, dass besonders dort der Anteil der Geschwindigkeitsüberschreitungen besonders hoch sind. Kannst du uns da ein bisschen was sagen dazu?

Klaus Robatsch: Ja, also am stärksten fallen wir jetzt auf natürlich in Tempo 30-Zonen. Dort halten sich drei von vier Lenker und Lenkerinnen nicht an Tempo 30. Und das ist aber ganz was Wesentliches, denn dort entscheidet sich oft, ob man dann schwer verletzt wird oder leicht verletzt oder getötet und schwer verletzt. Und auch wenn man international wieder schaut und da gibt es eine europäischweite Umfrage: Wie gehen die Bevölkerung mit Verkehrssicherheit um? Und auf die Frage, fahren Sie öfters so schnell und finden Sie, dass das dann kein Problem ist für die Verkehrssicherheit? So ist ungefähr der EU-Durchschnitt bei 13 Prozent der Lenkenden, die das ansagen, in Österreich sind wir europäische Spitze mit Abstand, mit 28 Prozent. Also hier zeigt sich schon, dass bei uns Schnellfahrt immer normal ist. Das liegt auch daran, dass es auch keine Bestrafung gibt, weil wir haben ja sozusagen einmal die Behördentoleranz von 10 km/h, 5 km/h, je nachdem wo man sich befindet und nochmal 5 km/h Gerätetoleranz. Die gibt es in anderen Ländern auch nicht mehr. Mittlerweile ist es ja klar, in den letzten 40 Jahren hat sich doch die Technologie etwas geändert und diese hohe Gerätetoleranz ist nicht mehr notwendig.

Christian Kräutler: Jetzt sagst du 28% glaube ich waren das, geben selbst zu, dass sie zu schnell fahren. Also das ist ja offensichtlich kein großer Druck da, dass man sich da verstecken muss oder, dass das irgendwas ist, was nicht akzeptiert wird in der Bevölkerung, sondern das ist ganz normal in Österreich. Kann man das so sagen?

Klaus Robatsch: Ja, es wird gesellschaftlich akzeptiert. Also zu schnell fahren ist bei uns akzeptiert und das liegt auch daran, wenn man in einer 50er Zone jetzt fährt, zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h, dann wissen fast alle, naja 60, 65 kann ich eigentlich immer fahren, ohne dass es je eine Konsequenz dafür gibt. Wenn man in der Schweiz in einer 50er Zone mit 52 km/h fährt und der Polizist hält einen auf und man sagt, ich bin eh nur 52 gefahren. Und dann sagt er, naja wenn wir das gewollt hätten, hätten wir auf die Tafel 52 geschrieben und nicht 50.

Christian Kräutler: Also 52 km/h, wenn man es wirklich so will. Wir wollen ja, dass es maximal 50 ist, idealerweise vielleicht sogar noch drunter. Ich weiß, du bist ein Verfechter von Tempo 30 im Gemeindegebiet, im Ortsgebiet. Kannst du uns da ein paar Argumente dazu sagen, warum sollte man das irgendwie so einführen, diese Tempo 30?

Klaus Robatsch: Was sich zeigt in den letzten Jahren, Getötete,- Schwerverletztenzahlen, dass immer mehr ungeschützte Verkehrsteilnehmer ums Leben kommen und schwer verletzt werden, während es im Auto immer natürlich sicherer ist, deshalb muss man die ungeschützten Verkehrsteilnehmer einfach einmal schützen, das sagt der Name schon und es ist glaube ich ein gutes Beispiel, wenn man mit 30 km/h fährt und 13 Meter vor einem geht ein Kind über die Straße, ältere Person, so kann ich gerade noch rechtzeitig stehen bleiben bei 30 km/h 13 Meter, weil der Anhalteweg sich halt ausgeht. Wenn ich statt 30 jetzt plötzlich mit 50 km/h fahre, ist der Anhalteweg aber 27 Meter. Das heißt, ich habe gerade einmal die Reaktionszeit vorbei und führe das Kind, den Fußgänger, mit fast noch 50 km/h nieder. Was aber auch wichtig ist, wenn ich mit 30 km/h fahre, habe ich den Blickpunkt 15 Meter vor der Stoßstange. Das heißt, ich kann peripher gut wahrnehmen, ob von rechts oder von links sich Fußgänger annähern. Wenn ich aber jetzt mit 50 km/h fahre, ist mein Blickpunkt bereits 40 Meter vor der Stoßstange. Das kann jeder draußen einmal ausprobieren. Und plötzlich habe ich diesen Tunnelblick und kann gar nicht mehr erkennen, ob von links oder rechts zu Fuß Gehende kommen. Und dann wissen wir natürlich bei einer Annahmegeschwindigkeit von 30 km/h ist die Wahrscheinlichkeit, dass man getötet wird, unter 10%. Bei 50 km/h ist der Wert bereits bei 40%.

Christian Kräutler: Das heißt 40 Prozent sterben wenn sie von einem Fahrzeug mit 50 km/h angefahren werden.

Klaus Robatsch: Genau, das ist so zu verstehen. Und wenn man eben mit 30 km/h wen anfährt, dann ist natürlich die Sterbewahrscheinlichkeit unter 10 Prozent.

Christian Kräutler: Also eigentlich eine Situation, wo es ja in Wirklichkeit mehrere Gewinner gibt, wenn man Tempo 30 einführt. Jetzt auch natürlich durch die Gemeinden teilweise selbst erlaubt. Der große Gewinner ist auf jeden Fall die Verkehrssicherheit. Wir haben dann aber natürlich auch andere Gewinne, man sagt die Wohnqualität, in dem einfach der Lärm ein bisschen niedriger wird, die Abgase, die auch nichts Förderliches sind zum Wohnen und um sich dort aufzuhalten, die werden kleiner. Ich habe dann irgendwann einmal gehört, es ist auch ein Riesenvorteil für Radwegebau. Vielleicht kannst du uns da irgendwas noch dazu sagen, was hat das mit dem Radwegebau zu tun, wenn wir langsamer fahren?

Klaus Robatsch: Ja, also Radverkehrsplanung ist eine Angebotsplanung. Ich muss schon schauen dafür, dass der Radfahrende auch wirklich sicher unterwegs ist im Ortsgebiet und da gibt es zwei Möglichkeiten den Radfahrenden sicher zu führen. Das eine sind dort wo hohe Kfz-Geschwindigkeiten sind, zum Beispiel 50 km/h oder mehr, dort ist der Radfahrende klar zu trennen vom Kfz-Verkehr. Zum Beispiel ein eigener Radweg mit der Tafel oder ein Radfahrstreifen. Und es gibt eine zweite Möglichkeit, die durchzuführen ist und das ist die Kfz-Geschwindigkeit zu reduzieren auf 30 km/h und dort kann ich dann sozusagen im Mischverkehr mit dem Kfz-Verkehr mitfahren. Und was ja wichtig ist beim Radfahren, ich brauche zusammenhängendes, geschlossenes, engmaschiges Netz, wo möglichst jede Straße eingebunden ist und da ist natürlich Tempo 30 prädestiniert davor, auch etwas für den Radfahrenden zu tun.

Christian Kräutler: Und in diesem Mischverkehr, wo ich eben keine eigene Anlage bauen muss oder abmarkieren muss, komme ich halt auch mit kleineren Flächen dann aus, ist das so zu verstehen, wo ich quasi überall eben dieses dichte Netz herstellen kann.

Klaus Robatsch: Genau, also auf den übergreifenden Straßen Tempo 50, eigene Radfahranlagen und die Fläche, die Flächenerschließung, was ja der Großteil des Straßennetzes ist, dort Tempo 30 und deshalb sind wir auch dafür, das ist einer der Gründe, warum auch Tempo 30 natürlich Sinn macht.

Christian Kräutler: Ja, wenn ich mich so ein bisschen umhöre, also mit Pädagog*innen rede, oder eben auch mit Menschen, die schon ein bisschen älter sind, dann kommt immer wieder das Thema, uns geht das Ganze zu schnell, vor allem im Ortsgebiet auch. Man wird da ein bisschen unsicher, also das Kind ist noch ein bisschen unsicher, weil es noch nicht so viel Erfahrung hat. Die älteren Menschen werden ein bisschen unsicherer, weil sie einfach länger auch brauchen, sich diese Themen dann auch wirklich zu verinnerlichen, zu sehen, ob dort jetzt Verkehr kommt, ja oder nein, Also ich glaube, auch für diese Gruppen ist langsamer mehr an Sicherheit und mehr an Lebensqualität, oder?

Klaus Robatsch: Ja, also wir müssen Rücksicht nehmen auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer und das merkt man im Unfallgeschehen, auch leider Zuwachsrate und das sind bei Senioren, das sind bei Kindern, das sind bei mobilitätseingeschränkten Personen und unser Verkehrssystem muss aber ausgelegt werden, genau auf diese Gruppen, denn dann kommen alle anderen Bevölkerungsgruppen auch gut und sicher im Straßenverkehr zurecht.

Christian Kräutler: Weil wir jetzt heute durch Ortsgebiet durchfahren, aber auch im Freiland gilt im Grunde dasselbe. Wir haben immer mehr moderne Autos, die Autos werden leiser, auch die Elektroautos natürlich, aber auch die benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeuge, innen merkt man ja gar nicht mehr, wie schnell man unterwegs ist. Das ist natürlich für viele dann auch immer wieder mal ein Grund, dass sie sagen, wie soll ich denn, ein 50er kann ich ja fast nicht mehr fahren mit diesen modernen neuen Autos und ich kann schon gar keinen 30er fahren mit diesen Autos. Was sagst denn du zu dem Argument, darf er dann ein bisschen schneller unterwegs sein?

Klaus Robatsch: Naja es geht darum eben andere Verkehrsteilnehmer zu schützen und natürlich die neuen Technologien vom Auto ist ein Fortschritt und wichtig und notwendig. Ich denke nur an unterschiedlichste Fahrerassistenzsysteme, ja unbedingt einsetzen diese Systeme, aber es ist auch leicht zu handlen. Man stellt einfach auf 30 km/h ein und kann dann eben schnell im Ortsgebiet fahren oder man stellt auf 50 ein und dann fährt man halt in einer 50er Zone 50. Eigentlich ein super Hilfsmittel dafür auch die Geschwindigkeiten einzuhalten.

Christian Kräutler: Jetzt haben wir aber gerade, du hast gerade vorher selbst gesagt, dass das sehr schwierig offensichtlich für viele ist, die Geschwindigkeiten einzuhalten, glaub drei Viertel hast du gesagt, sind bei Tempo 30 zu schnell, auch bei 50. Überschreiten sehr, sehr viel diese Limits. Für mich ist so ein bisschen die Frage, warum funktioniert das in Österreich so schlecht? In unserem Nachbarland, das ja eigentlich ziemlich vergleichbar ist, das du jetzt hervorgehoben aus die Schweiz, warum funktioniert das dort einfach deutlich besser?

Klaus Robatsch: Ja, wir haben leider sehr viele Maßnahmen nicht umgesetzt und deshalb habe ich schon eingangs gesagt, wir sind das Land der Raser und etwas wesentlich ist natürlich einmal die Strafhöhe. Die ist in Österreich sehr gering im Vergleich zu anderen Ländern. Die Kontrolle ist auch wichtig, da sind wir auch Spitzenreiter in Österreich, da sind wir gut. Was in Österreich vor allem fehlt auch, wir haben sehr spät Führerscheinentzugszeiten und dann nur sehr kurz. Und da kann man wieder auf dieses Beispiel kommen in einer 50 km/h Zone, wenn ich dort bin, bekomme ich einen Führerscheinentzug mit ab 96 km/h und das wurde im Raserpaket gerade von zwei Wochen dann der Führerscheinentzug auf einen Monat angehoben. Das ist natürlich wirklich viel zu spät. Noch einmal: Ich kann über 90 km/h dort fahren, habe noch immer keinen Führerscheinentzug. Und in der Schweiz von dir angesprochen ist bei 86 km/h der Führerschein für drei Monate weg. Und das ist das Um und Auf. Und das ist eine wichtige Maßnahme, damit es aufs Österreichs Straßen sicherer wird. Was wir auch in Österreich nicht haben, da sind wir das einzige Land in Europa, wo es einen Punkteführerschein gibt. Bei uns heißt Vormerkdelikt, wo das Thema Geschwindigkeit gar nicht vorkommt. Eine der Hauptunfallursachen. Also hier müssen wir unbedingt nachsetzen, damit es eben nicht zu diesem Kavaliersdelikt kommt und, dass es akzeptiert wird in der Gesellschaft, „Schnellfahren ist okay. Schnellfahren gehört dazu“.

Christian Kräutler: Das sind ja auch die Forderungen, die du mit deinem Team gemeinsam an Regierung, an Straßenerhalter und so letztendlich formuliert hast, die uns einfach helfen können, die Unfallursache Nummer 1 bei Getöteten zu reduzieren. Also sehr viele Maßnahmen, Klaus, die du da gesagt hast, die einfach in Österreich fehlen. Mir fällt jetzt gerade noch eine Sache ein, einer meiner lieben Freunde in der Schweiz, der Nick, hat mir irgendwann einmal gesagt, weil ich immer wieder sehe, dass er einfach in der Schweiz genau 50 fährt, bei uns ist es ihm dann eher egal, wenn er bei uns auf Besuch ist, der sagt, „Wir machen das nicht in der Schweiz“. Und ich glaube, das ist schon so ein bisschen eine Verkehrskultur, einen Unterschied, den wir da haben. Spielt das aus deiner Sicht auch eine Rolle?

Klaus Robatsch: Ja, es ist die Verkehrskultur und die Verkehrskultur ist natürlich geprägt. Die ist in Österreich geprägt durch geringe Strafen. Die ist in Österreich geprägt durch kaum Führerscheinenzüge und das ist in der Schweiz natürlich ganz anders. Wenn der Nick in Österreich unterwegs ist, dann kann er in einer 50er-Zone, 65 fahren im Regelfall, es wird nicht einmal eine Strafe geben und er kann 95 fahren und er kriegt nicht einmal einen Führerscheinezug und dann gerade einmal, wenn er mit 90 unterwegs ist, muss er gerade einmal 150 Euro Strafe zahlen. Noch einmal im Ortsgebiet, im Ortsgebiet, wo ungeschützte Verkehrsteilnehmer sind, mit 90 km/h und dann eine Strafe von 150 Euro. Und das wurde ja zu einem Raserpaket angehoben auf 150, aber das ist natürlich viel zu gering. Da ist sogar Deutschland mit 250 deutlich darüber. Die Schweiz geht schon in die tausende Euro.

Christian Kräutler: Klaus, kommen wir noch einmal irgendwie aus dem Ortsgebiet ein bisschen raus, sehen wir mal das Thema Geschwindigkeit noch einmal in einer anderen Flughöhe, ein bisschen allgemeiner. Was sind denn so generell die Probleme oder letztendlich auch die Vorteile, wenn ich einfach die Geschwindigkeitslimits extrem einhalte oder vielleicht sogar ein bisschen runtergehe mit diesen Geschwindigkeitslimits

Klaus Robatsch: Ja, also wenn wir nur das Geschwindigkeits, ich sag unter Anführungszeichen: „nur“ um 5% reduzieren, bedeutet das um 10% weniger Unfälle mit Personenschaden, das bedeutet 16% weniger Schwerverletzte und jetzt kommt es 25% weniger Getötete durch die Maßnahme, die Durchschnittsgeschwindigkeit um 5% zu reduzieren.

Christian Kräutler: Also da geht es wirklich um Menschenleben, um das, was uns sonst ja wirklich wichtig sein muss. Auf der anderen Seite schaffen wir es nicht, diese 5 km/h oder ein bisschen mehr dann runter zu gehen vor der Geschwindigkeit. Eigentlich eine ganz eine komische Sache.

Klaus Robatsch: Da geht es um Menschenleben. Wir dürfen nicht vergessen, 100 Tote aufgrund von nicht angepasster Geschwindigkeit jährlich in Österreich, Tausende an Verletzten, was dann alles noch dahinter kommt. Das muss es natürlich unbedingt wert sein, dass hier die Zahlen reduziert werden. Zumindest dass wir hier zu den europäischen Spitzenländern dazugehören wollen. Und da steht ja auch in der österreichischen Verkehrssicherheitstrategie bis 2030 eigentlich drinnen: Wir wollen zu den vier sichersten Ländern Europas gehören. Da müssen wir aber unsere Getötetenzahlen halbieren.

Christian Kräutler: Und das gilt natürlich vor allem auch im Freiland, wo ja die meisten Menschen im Fahrzeug sterben oder eben auch mit dem Motorradl unterwegs sind und dann sterben. Also dort ist es auch ganz besonders wichtig. Ein Thema noch, Klaus, über das ich gern mit dir reden würde, ist die Geschwindigkeitsüberwachung. Da gibt es ja in Österreich, und das ist so eine Besonderheit auch ein bisschen in Österreich, seit 20 Jahren eine ganz wichtige technische Maßnahme, um die Geschwindigkeit zu kontrollieren, nämlich die Section-Control. Vielleicht sag uns ein bisschen was darüber noch, wie funktioniert denn das überhaupt und was kann es bringen für die Sicherheit.

Klaus Robatsch: Ja, also die erste Section-Control Lage gab es 2003 im Kaisermühltundel, der stärkste befahrenste Tunnel in Österreich und dort hat sich alleine gezeigt, dass dort die getöteten Zahlen halbiert worden sind in kürzester Zeit.

Christian Kräutler: Also eine super Maßnahme!

Klaus Robatsch: Also eine wirklich sehr effektive Maßnahme, vor allem dort auf Straßen und Streckenabschnitten, wo hohe Unfallraten, Getötetenraten wirklich vorliegen. Und das bedeutet, es geht über die Videoüberwachung, also man fährt in den Tunnel oder in die Section-Control-Anlage bei Baustellen gibt es ja auch sehr viele, als auf anderen Strecken. Man fährt dort rein, wird dort sozusagen gefilmt, das ist alles noch verpixelt, also man kann niemanden aus Datenschutzgründen erkennen. Und am Ende, also bei der Ausfahrt, wird natürlich wieder gefilmt und dann schaut man nur diejenigen, die dann wirklich zu schnell waren auf diesem Streckenbereich, da wird dann wirklich das Bild ausgewertet und man kann dann auch wirklich sozusagen die Autonummern dann wirklich lesen. Und es war natürlich ein langer Schritt dorthin, aber wir haben es geschafft und da sind wir schon auch ziemliche Vorreiter, hier was es auch in Mitteleuropa betrifft mit den Section-Control-Anlagen. Nicht nur auf Autobahnen, sondern mittlerweile gibt es sie auch schon auf Landesstraßen.

Christian Kräutler: Also heißt das, ein bisschen vorsichtiger auch fahren, ein bisschen langsamer vielleicht, weil es könnte ja eigentlich eine Section-Control draußen auch irgendwo herumstehen. Ja, jetzt weiß ich ein bisschen anderes Thema auch, dass du ja ein sehr erfolgreicher Sportler warst und immer noch ein sehr guter Sportler bist. Immer schneller. Immer höher. Immer stärker. Woher kommt eigentlich so dieser ewige Drang nach Geschwindigkeit?

Klaus Robatsch: Ja, das ist eine gute Frage. Wir sind alle gewöhnt von klein auf, von Beginn auf gewöhnt, der Schnellere ist immer der Bessere. Ja, das fängt schon an im Kindergarten, in der Schulzeit, der schnellere Läufer, der schnellere Schifahrer, der schnellere Schwimmer, der schneller mit der Schule fertig ist, der schneller studiert, der Bessere ist immer auch gleichzeitig der Schnellere. Und jetzt plötzlich kommen wir Sicherheitsfreaks daher und sagen, im Straßenverkehr soll das plötzlich nicht gelten, was es sonst überall gilt. Aber was wir vergessen ist, da gibt es auch Andere, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Und wenn wir uns das Schirennen anschauen, dann ist das abgesichert, da ist nicht plötzlich einer, der quert über die Piste beim Abfahrtslauf in Kitzbühel. Oder beim Schwimmen plötzlich oder beim 100 Meter Sprint, da ist nicht plötzlich einer, der dort quert. Und das ist der große Unterschied, aber es ist schwer natürlich in die Köpfe der Leute das zu bekommen, zu sagen, das ist gemeinsam, da müssen wir aufeinander Rücksicht nehmen und im Straßenverkehr hat nicht nur jeder seine Streckenabteil, es gibt dort auch andere Verkehrsteilnehmer.

Christian Kräutler: Also schneller zu sein ist ja offensichtlich in vielen Bereichen durchaus von Vorteil. Auf der Straße gewinnen wir vielleicht ein paar Sekunden, wenn überhaupt. Manchmal verlieren wir aber sehr viel, nämlich unsere Gesundheit oder die Gesundheit oder sogar das Leben von Anderen, die eben in der Straße unterwegs sind. So wie zum Beispiel die Kati, von der wir ja ganz zu Beginn geredet haben. Lieber Klaus, vielen, vielen Dank für den Besuch im Studio. Es hat mir eine Riesenfreude gemacht. Wir haben, glaube ich, alle viel gelernt.

Klaus Robatsch: Danke sehr für die Einladung. Und ich komme gern wieder wenn ich eingeladen werd klarerweise. Vielleicht können wir das dann sogar ein bisschen mit Musik untermauern.

Christian Kräutler: Du kannst uns gerne noch ein Ständchen singen, wenn du möchtest.

Klaus Robatsch: Ja, das kommt beim nächsten Mal dann, ja?

Christian Kräutler: Freuen wir uns auf jeden Fall drauf. Danke, Klaus!

Klaus Robatsch: Gerne.

Christian Kräutler: Liebe KFV-Podcast-Fans, danke fürs Zuhören. Ich hoffe, unsere heutigen Botschaften bringen Österreichs Schnellfahrende zum Nachdenken. Lassen Sie es doch auf der Straße ganz bewusst einmal etwas langsamer angehen. Entschleunigung ist nämlich angesagt. Slowdown für einen menschengerechten Straßenverkehr. Auch in unserer nächsten Podcast-Folge bleiben wir noch bei der Unfallursache Nummer eins, nämlich der Geschwindigkeit und nehmen da aber die Psychologie des Rasens näher unter die Lupe. Wir reden über die Problematik der Roadrunners, also junge Menschen, die die Straße als illegale Rennstrecke nutzen und wir reden über die Beweggründe ihres gefährlichen Verhaltens. Bleiben Sie gesund, bleiben Sie interessiert, bleiben Sie informiert. Bis bald bei „Sicher ist sicher“.

Catharina Ballan: Sie hörten Diplom-Ingenieur Christian Kräutler, Präventionsexperte des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, im Gespräch mit Diplom-Ingenieur Klaus Robatsch, Leiter des KFV-Fachbereichs Verkehrssicherheit. Alle KFV-Podcast-Folgen sind unter kfv.at/podcast abrufbar. Abonnieren Sie „Sicher ist sicher“ auf Spotify, Apple und Google Podcasts sowie auf allen gängigen Podcatcher Plattformen und empfehlen Sie unseren Podcast weiter. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal bei „Sicher ist sicher, dem Vordenker*innenpodcast des KFV“.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.